Trend Watch: Kaffeehauskultur – Wiens zweites Wohnzimmer

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Kaffeehauskultur: Wiens zweites Wohnzimmer

Kaum ein anderer Ort spiegelt die Wiener Seele so authentisch wider wie die traditionsreichen Kaffeehäuser der Stadt. Für viele Einheimische sind sie weit mehr als ein Ort für eine Tasse Kaffee – sie sind ein zweites Wohnzimmer.

Ein Ort der Geselligkeit und des Rückzugs

„Das Kaffeehaus ist ein Ort für Menschen, die allein sein wollen, aber dazu Gesellschaft brauchen“, bemerkte einst der österreichische Schriftsteller Alfred Polgar. Nirgendwo trifft dieses Bonmot besser zu als in Wien. Schon vor über hundert Jahren gehörte Polgar zu den Stammgästen des legendären „Café Central“, und auch heute noch sind die Kaffeehäuser Orte der Begegnung. Hier trifft man sich zu einem Kleinen Braunen und einem Stück Sachertorte, diskutiert das Leben bei einem Gemischten Satz oder vertieft sich bei einer Schale Gulasch in die Zeitung – von früh bis spät, oft an 365 Tagen im Jahr.

Tradition trifft auf Moderne

Die Wiener Kaffeehauskultur ist gelebte Tradition, die sich stetig weiterentwickelt. Ein Beispiel dafür ist die Familie Querfeld, Betreiber des „Café Landtmann“ und des „Café Mozart“ gegenüber der Albertina. „Orte mit Geschichte und handwerklicher Qualität begeistern uns. Wir lieben Tradition, aber lassen uns nicht von ihr einengen“, erklärt Berndt Querfeld. Die Kaffeehäuser der Familie sollen lebendige, zeitgemäße Orte der Begegnung bleiben – mit einem feinen Gespür für neue Ideen.

Die berühmteste Torte der Welt

Kein Wiener Kaffeehaus ist vollständiger ohne die berühmte Sachertorte. Das „Sacher-Café“ hinter der Staatsoper verbindet Backkunst mit Wiener Gastfreundschaft. „Unsere Philosophie ist es, die Geschichte der Original-Sachertorte mit zeitgenössischem Luxus und exzellentem Service zu kombinieren“, sagt Andreas Keese, Direktor des „Hotel Sacher Wien“. Einheimische und Gäste aus aller Welt genießen hier die weltberühmte Schokoladentorte mit feiner Marillenschicht – eine süße Hommage an die Stadt.

Kaffeehäuser als Kunstbühne

Doch Wiens Kaffeehäuser sind mehr als Kulinarik und Geselligkeit – sie sind auch ein Schmelztiegel der Kunst. Das „Café Korb“ etwa versteht sich als Brücke zwischen Tradition und Moderne. „Das Wiener Kaffeehaus soll ein Ort der Kommunikation sein, generationenübergreifend“, erklärt Betreiberin Susanne Widl. Die unterirdische Art Lounge des Cafés, mit Werken von Peter Weibel, Peter Kogler und Günter Brus, macht das „Korb“ zu einer einzigartigen Plattform für zeitgenössische Kunst.

Ebenso traditionsbewusst zeigt sich das „Kaffee Alt Wien“, das seit 1922 eine Mischung aus klassischem Kaffeehaus, Beisl und Restaurant bietet. Inhaber Petar Hrtica setzt auf Nachhaltigkeit: „Unsere Speisen bereiten wir ausschließlich selbst zu, und wir beziehen unser Fleisch von ausgewählten Kleinbauern aus Österreich.“ Qualität und Regionalität stehen hier an oberster Stelle.

Ein Hauch von Nostalgie

Die großen, altehrwürdigen Kaffeehäuser wie das „Café Central“, das „Schwarzenberg“, der „Demel“ oder der „Gerstner“ versetzen ihre Gäste in eine andere Zeit. Mit ihren prunkvollen Interieurs laden sie dazu ein, in die Vergangenheit zu reisen. Seit Generationen sind sie Zufluchtsorte für Literaten, Studenten und Kaffeeliebhaber – ein Stück lebendige Geschichte mitten in Wien.

Kaffeehauskultur im Wandel

Doch die Wiener Kaffeehäuser ruhen sich nicht auf ihrer Tradition aus. Sie beweisen auch eine erstaunliche Anpassungsfähigkeit. Das „Café Westend“, 1875 gegründet, wurde 2023 nach einer kreativen Pause unter neuer Führung wiedereröffnet. „Wir wollen ein Ort sein, an dem Menschen aus verschiedenen Lebensbereichen zusammenkommen, um Genuss, Kultur und Geselligkeit zu erleben“, so das neue Betreiberteam. Neben einer erweiterten Speisekarte sollen auch kulturelle Veranstaltungen das Traditionscafé wiederbeleben.

Auch das „Café Goldegg“, seit 1906 eine Institution im 4. Bezirk, bleibt seiner Philosophie treu: Gemütlichkeit, Freundlichkeit, Qualität und Tradition. Betreiberin Jutta Scheuch legt besonderen Wert auf persönliche Gastfreundschaft: „Ich überzeuge mich bei jedem Gast, ob alles zu seiner Zufriedenheit ist. Es geht um eine freundliche Begrüßung und darum, den Menschen in den Mittelpunkt zu stellen.“

Die Wiener Kaffeehauskultur lebt – in jeder Tasse, in jedem Gespräch und in jeder Tradition, die behutsam ins Heute getragen wird. Und genau das macht sie so einzigartig.