Der Norden als neues Traumziel?
Wie sich das Reiseverhalten der Deutschen ändern könnte.
Sommer, Sonne, Strand und Meer – das sind seit jeher die Lieblingsziele der Deutschen. Spanien, Griechenland und andere sonnenverwöhnte Destinationen stehen dabei hoch im Kurs. Doch eine aktuelle Studie der EU legt nahe, dass sich dieses Reiseverhalten durch den Klimawandel bald ändern könnte. Aber wie realistisch ist das?
Vom Mittelmeer in den hohen Norden?
Ob es der malerische Sonnenuntergang auf Mallorca, ein genüssliches Glas Wein am Gardasee oder das Bummeln über die lebhaften Märkte der Türkei ist – viele Deutsche zieht es im Sommer traditionell in die warmen Regionen Europas. Doch laut einer Studie der Europäischen Union könnte dieser Trend bald eine Kehrtwende erfahren. Kühlere, nördliche Regionen Europas wie Skandinavien könnten in Zukunft vom Klimawandel profitieren und mehr Urlauber anziehen.
Die EU-Kommission untersuchte die klimatischen Auswirkungen auf den Tourismus in 269 europäischen Regionen. Das Fazit: Es zeichnet sich ein deutliches Nord-Süd-Gefälle in der Tourismusnachfrage ab. Während die nördlichen Regionen durch den Klimawandel attraktiver werden, sehen sich die südlichen Gebiete mit einem Rückgang der Urlauberzahlen konfrontiert.
Coolcation: Der nordische Charme lockt
Schweden, Norwegen und Finnland setzen bereits auf den Trend der sogenannten „Coolcation“ – einem kühlen, erfrischenden Urlaub. Visit Sweden, die staatliche Tourismusorganisation, vermarktet diesen Begriff offensiv auf ihrer Webseite und hebt die wachsende Beliebtheit des nordischen Landes für Reisende hervor, die der Sommerhitze entfliehen möchten. Elf „erfrischende Erlebnisse“ werden dort als Tipps für einen gelungenen Urlaub angeboten.
Trend oder Hype? Wo bleibt die Sonne?
Doch spiegelt sich dieser angebliche Trend wirklich in den Buchungszahlen wider? Kerstin Heinen vom Deutschen Reiseverband (DRV) gibt sich skeptisch. „Die beliebtesten Flugpauschalreise-Ziele in diesem Sommer sind nach wie vor die Türkei, Spanien, Griechenland und Ägypten“, betont sie. Skandinavien bleibt bei den Deutschen eher eine Nische – die Nachfrage nach sonnigen Urlaubszielen ist ungebrochen.
Interessanterweise boomt sogar der Tourismus in heißen Regionen wie den Vereinigten Arabischen Emiraten. Trotz Temperaturen von bis zu 50 Grad Celsius im Sommer strömen die Urlauber weiterhin nach Dubai und Abu Dhabi. Die Deutschen scheinen also nicht so sehr auf der Suche nach Abkühlung zu sein, wie manche vermuten.
Rekordzahlen im Norden, aber die Sonne bleibt Favorit
Generell wird heute mehr gereist als je zuvor. Mit knapp 1,5 Milliarden internationalen Reiseankünften war 2019 ein Rekordjahr für den weltweiten Tourismus. Nach einem Einbruch durch die Coronapandemie rechnet die Welttourismusorganisation UNWTO damit, dass im kommenden Jahr sogar ein neuer Höchststand von 1,8 Milliarden erreicht wird.
Dieser Anstieg zeigt sich auch in den skandinavischen Ländern. Norwegen verzeichnete 2023 mit rund 37 Millionen touristischen Übernachtungen einen neuen Rekord. Besonders bemerkenswert: Deutsche Touristen stellten mit 2,3 Millionen Übernachtungen die zweitgrößte Gruppe dar, direkt nach den Norwegern selbst. Im Gegensatz dazu fanden nur wenige Spanier und Franzosen den Weg in das kühlere Klima Skandinaviens – mit lediglich 300.000 bzw. 500.000 Übernachtungen.
Fazit: Verändertes Reiseverhalten oder doch nicht?
Obwohl die kühleren Regionen Europas durchaus an Popularität gewinnen, bleibt die Sehnsucht nach Sonne und Strand für viele Deutsche ungebrochen. Der Klimawandel könnte zwar langfristig Einfluss auf die Wahl der Urlaubsziele nehmen, doch aktuell bleibt das Mittelmeer der unangefochtene Favorit. Es bleibt abzuwarten, ob sich diese Vorhersagen in den kommenden Jahren bewahrheiten oder ob die Deutschen weiterhin lieber in die Wärm reisen.